rui dos reis architektur logo

Über Architektur

Als die Architektur zur Welt kam, da gab es die Welt schon lange. Da waren bereits die Berge, die Wüsten, Wälder, Seen, der Himmel, Ozeane und das Leben in seinen kreativsten Ausprägungen. Die Natur erschuf majestätische Strukturen und Texturen, die das Gesicht unseres wunderschönen Planeten seit Millionen von Jahren prägen. Die Grundlagen für Begriffe wie „Schönheit“, „Eleganz“, „Effizienz“, „Harmonie“, „Dimension“, „Ordnung“, „Chaos“, „Spannung“ waren somit bereits gelegt, als zu dieser göttlichen Komposition eine weitere Struktur hinzukam. Anfänglich kaum von ihrer Umgebung zu unterscheiden, beanspruchte die Architektur im Laufe der Jahrhunderte einen immer größer werdenden Anteil am Erscheinungsbild der Erde. Die Frage drängt sich auf: Macht die Architektur unseren Heimatplaneten, der als eine einzigartige paradiesische Blase durch die Ödnis und Kälte des Universums zieht, noch wertvoller? Schließlich sollte das ein selbstverständlicher Anspruch an die Menschheit sein, die als selbst ernannte Krone der Schöpfung eine gewisse Verantwortung für das Wohl und Wehe des einzigen ihr zur Verfügung stehenden Planeten nicht so einfach abschütteln kann.

Der Mensch, der Schöpfer der Architektur, erschuf diese als unmittelbare Reaktion auf die soziokulturellen und natürlicher Lebensszenarien, die ihn umgaben. Zu Beginn der menschlichen Evolution, inmitten einer Ehrfurcht gebietenden und unergründbaren Natur entstanden bei unseren Vorfahren Bedürfnisse, die mit der Evolution zum intelligent denkenden Lebewesen immer stärker wurden: Zum einen war da das Bedürfnis nach Schutz und Gewissheit in einem unendlichen Raum voller Gefahren und Unwägbarkeiten. Hier sorgte der utilitaristische Charakter der Architektur für Schutz gegenüber klimatischen Verhältnissen und Eindringlingen. Der Unüberschaubarkeit des „Draußen“ konnte man die Gewissheit und die Stabilität des „Drinnen“ entgegensetzen. Zum anderen wuchs aber auch das Bedürfnis nach Spiritualität. Hier bedient sich die Architektur bei künstlerischen und poetischen Ausdrucksformen, um Gräber zu gestalten, Göttern zu huldigen und Naturphänomene zu kontextualisieren. Der utilitaristische und der poetische Charakter der Architektur waren von Anfang an grundlegend. Das ist heute nicht anders. Innerhalb dieser Bandbreite bewegt sich Architektur. Manchmal ist sie aber auch beides – nützlich und schön zugleich.

Feuer, Werkzeuge, Waffen, Sprache, Ackerbau, Kunst, Architektur. Die Architektur war nicht plötzlich da. Sie entwickelte sich über lange Zeiträume. Dabei galt es von Anfang an, bei allem Gebauten, einem direkten Vergleich standzuhalten: Wie präsentiert sich das von Menschenhand Geschaffene vor dem Hintergrund der unerklärlich erhabenen Eleganz der Welt und des Firmaments? Wo stehen wir im Vergleich zu dieser objektiven Schönheit? Können wir ihre Grundschwingung auffangen und sie ansatzweise auf unsere Gebäude und damit letztlich auch auf uns selbst übertragen? - Im Wesentlichen geht es in der Architektur um die Beantwortung dieser Fragen. Es geht um das Maß an Würde, das der Mensch beweist, wenn er der überwältigenden Schönheit der Natur ein künstliches Element zur Seite stellt. Der Dichter “Fernando Pessoa“ schrieb in einem seiner Tagebucheinträge: „Die Künstlichkeit verhilft am besten zum Genuss der Natürlichkeit. Die Zivilisation ist eine Erziehung in Natur. Das Künstliche ist der Weg zu einer Annäherung an das Natürliche. Notwendig ist jedoch, dass wir niemals das Künstliche für das Natürliche halten. In der Harmonie zwischen dem Natürlichen und dem Künstlichen besteht die Natürlichkeit der höher gearteten menschlichen Seele.“

Die Kategorien, in denen wir Architektur unmittelbar erleben, sind so vielfältig wie wir selbst. Es gibt unzählige Ebenen bewusster und unbewusster Abhängigkeiten zwischen uns und einer der archaischsten Ausdrucksformen menschlicher Schöpfungskraft. Für den Architekten im Entwurfsprozess gilt es, möglichst viele dieser Ebenen parallel zu denken, um aus einem breit gefächerten Spektrum heraus, Kategorien der Logik und des Gefühls zu etablieren, die die Menschen instinktiv an die jeweilige Architektur binden. Das Herstellen dieses instinktiven Interesses der Menschen an einem Gebäude ist eine wesentliche Grundlage für Baukultur. Aus einem Konzept heraus, wird ein von Inspiration beseeltes Ganzes erdacht, das mehr zum Ziel haben muss, als die Mangellosigkeit der in richtiger Reihenfolge zusammengefügten, handwerklich korrekt hergestellten und miteinander verträglichen Bauelemente. Das einwandfreie Herstellen von Wänden, Decken, Fenstern und Dächern ist ein Vorläufer von Architektur, aber noch keine Architektur. – Architektur ist die Beziehung der Dinge zueinander und das Verhältnis dieser Beziehung zu der Kondition des Menschen.

Also hat Architektur die Welt besser gemacht? Sagen wir - sie kann es! Es gibt entlang der Geschichte viele Beispiele, die die Architektur als würdigen Gradmesser unserer Zivilisation erscheinen lassen. Als Marker in einem evolutionären Prozess. Als eine intelligente, schöne, überraschende, letztlich menschliche Antwort auf die Randbedingungen und Gesetze, denen wir von Anfang an ausgesetzt sind. Anthropologen ferner Galaxien würden unsere Architektur studieren, um mehr über uns zu erfahren. Und je mehr Information die Grammatik unser Häuser bereitstellen würde, desto kulturell wertvoller wäre sie zu bewerten. Lasst uns Häuser bauen, die unserer Spezies gerecht werden, weil sie ein Abdruck dessen sind, was wir sind - Entdecker von Welten!

Architekten wissen, welche Verantwortung sie für die Gestalt unserer Erde tragen. Sie geraten jedoch zu häufig in wirtschaftliche und moralische Zwänge, die immer wieder zu unbefriedigenden Gebäuden führen. Verzichtet man auf einen Auftrag, der das Auskommen der eigenen Angestellten und derer Familien garantiert, weil man als Architekt grundlegende Prinzipien nicht aufgeben möchte? Nicht auf eine Eingangsdiele verzichten will? Oder auf ein belichtetes Bad oder eine separate Küche? Und wieviel Freiraum bleibt der Ästhetik, im Umfeld einer ins Absurde ausufernden Normenflut? An dieser Stelle sei die Verantwortung des Auftraggebers erwähnt. Wer viel Geld in die Hände nimmt muss wissen, dass der Wert seiner Investition nicht nur von Zahlen abhängt. Baukultur ist mehr. Sie hat, wie oben dargelegt, viel mit gesellschaftlicher Akzeptanz zu tun. Und die Gesellschaft ist nicht so naiv, wie sie mancher Baubeteiligte gerne hätte. Wenn immer weniger Raumqualität für immer mehr Geld angeboten wird, dann fällt das früher oder später auf. Der wachsende allgemeine Frust in der Gesellschaft gegenüber einem Großteil der heutigen Architektursprache und der einhergehende Wunsch vieler Bauherren, zu historischen Vorbildern zurückzukehren ist nachvollziehbar. Über dies muss geredet werden. Wir bei „Rui dos Reis. Architektur“ tun das gerne, am besten, gleich zu Beginn.

Rui dos Reis